Alles ist im Atem
allgemeines Jul 17, 2016
Der Atem beschäftigt und fasziniert den Menschen seit Menschengedenken! Im Jin Shin Jyutsu kommt ihm zentrale Bedeutung zu, heißt es doch sowohl "Atem ist der letztendliche Heiler" als auch "Alles ist im Atem". Hier finden sich Betrachtungen zum Atem in Text und Bild – im Video außerdem eine praktische Übung, um den Sinn, den die Behauptung, alles sei im Atem, haben kann, zu erfahren. Viel Vergnügen!
Alles ist im Atem
Seit Urzeiten scheint den Menschen an seinem Atem zu faszinieren, dass er zugleich etwas ganz Konkretes und doch nichts Greifbares ist. Er geschieht mit dem Körper und ist für dessen Leben und Überleben ausschlaggebend. Er variiert mit jeder unserer Regungen und Tätigkeiten. Er reagiert auf jede kleinste Änderung im Augenblick. Das heißt, die Bewegung, die sich um ihn rankt – die Atmung – lässt sich fühlen und beobachten.
Doch ist er selber – der Atem – nicht fassbar; er ist kein Ding. Die Beschreibung der Atemluft, wie die meisten von uns sie in der Schule gelernt haben – ein Gasgemisch aus 78% Stickstoff, 21% Sauerstoff und dann noch etwas Wasserdampf, ein paar Edelgase und ein bisschen CO2 – dürfte die Alten wenig interessiert haben. Nicht Atmung, nicht Atemluft, der Atem selbst: was ist das!
In allen Kulturen seit Menschengedenken ist Atem immer auch ein Synonym für Lebenskraft, für etwas Unsichtbares, das den Menschen beseelt. Erst mit einer mechanischen Sicht auf den Menschen als Körper schien es nicht mehr möglich, vom Atem als etwas zu sprechen, das „dem Menschen eingehaucht“ werde. Der Körper ist da, also atmet er. Tut er das nicht mehr, ist er tot. Punkt. Oder?
Uns interessiert, um Mary Burmeisters Satz „Alles ist im Atem“ für uns greifbar zu machen, der Atem als Bewegung. Da uns im Jin Shin Jyutsu der Atem ja als „großer“ und als „kleiner“ Lebensatem begegnet, heißt das zum einen physische Bewegung, die Atem und Atmung im Körper in vielschichtiger Weise erzeugen, und zum anderen Energiebewegung. Beide fließen hinab und hinauf.
Die Abwärtsbewegung gibt den Dingen ihr Gewicht, sie hilft uns zu landen und uns niederzulassen. Je mehr wir das tun, desto mehr nehmen wir unseren Raum im Körper ein. Ausatmung begleitet diese Abwärtsbewegung und macht sie immer spür- und greifbarer. Hat der Körper einmal diese Erfahrung gründlich verfügbar, erkennen wir das Empfinden von natürlichem Gewicht auch in anderen Lebensbereichen wieder: Worte die Gewicht haben, ein Tun, dem sein natürliches Gewicht zukommt.
Die Aufwärtsbewegung gibt den Dingen ihre Leichtigkeit. Sie entsteht umso müheloser und wird umso vollständiger, je mehr wir mit der ersten Bewegung des Atems in natürlichem Gewicht gelandet sind. Ausatmung nimmt den Dingen eben die Schwere und lässt ihnen nur ihr Gewicht. Aufsteigende Energie, von der Einatmung getragen und geleitet, durchfließt alles Feste mit neuer, feiner Lebendigkeit und trägt so Veränderung und Erneuerung in alles Gewordene.
Wenn wir begreifen, dass der Atem für die zwei grundlegenden Prinzipien des Werdens und des Wandels steht, ergibt der Satz von Mary Sinn. Wenn wir aber mit sanfter sinnlicher Aufmerksamkeit auf den Atem diese Prinzipien zu unserer eigenen körperlichen Erfahrung machen, wenn wir im Körper selbst immer stärker landen und immer durchlässiger werden, dann wird der Satz wirklich – das heißt er wirkt in mein Leben hinein.